Am Abend des 6. Januars 2025 war es düster, windig und kühl in Heitersheim. Wer sich um 17 Uhr hingegen in die Malteserhalle begab, durfte seinen Abend von Zsolt Lendvai, einem begnadeten Pianisten, der auf 52 Jahre Erfahrung am Klavier zurückblicken kann, erhellen lassen. Eröffnet wurde der Abend mit Beethovens „Die Wut über den verlorenen Groschen“. Eine humorvolle und zugleich äußerst anspruchsvolle Klavierkomposition, in der sich Herr Lendvai geradezu in Rage spielen konnte, allerdings keineswegs sein Lächeln verlierend, in dem sich das komödiantische Thema des Stücks auf der einen und die Freude über das Stattfinden des Neujahrskonzerts auf der anderen Seite widerspiegelten. Die 30-jährige Tradition wahrend, tänzelte Zsolt Lendvai in seinem glitzernden Jackett nicht nur mit seinen Fingern virtuos über die Tasten, sondern bewegte sich auch mit seinem gesamten Körper begeisternd im Rhythmus von Beethovens Meisterstück mit.
Die erste erscheinende Sopranistin des Abends, Lilly Baumgartner, versetzte das gesamte Publikum mit ihrer sanften und zugleich kräftigen Stimme ins Staunen, als die ersten Töne der Arie „Vendrai, carino“ aus Mozarts Oper „Don Giovanni“ die Halle erfüllten. Mit einer ihresgleichen suchenden Exzellenz verkörperte sie Zerlina, eine zentrale Figur des Stücks, die mit aller Kraft und Hingabe versucht, ihren verletzten Ehemann Masetto zu besänftigen und seine Verletzungen liebevoll zu versorgen.
Eine weitere Sensation war „Der Vogelfänger bin ich ja“ aus Mozarts „Die Zauberflöte“. Zsolt Lendvai eröffnete die Melodie zunächst allein am Flügel, doch plötzlich erklang eine Flöte aus dem Publikum: Es war der „Vogelfänger“ höchstpersönlich, dargestellt von Werner Baumgartner, einem renommierten Bariton. Mit Humor, Leidenschaft und einer den Raum in Begeisterung versetzenden Stimme verlieh er dem Vogelfänger eine greifbare Lebendigkeit, brachte dem Publikum jedoch zugleich auch die tiefgehende Einsamkeit des Charakters und seine Sehnsucht nach einer liebevollen Gefährtin näher.
Verträumte Klänge am Flügel leiteten die lyrische Arie „Quanto è bella“ aus Gaetano Donizettis Oper „Der Liebestrank“ ein. Auf die Bühne trat nun ein Gentleman im Anzug, ein junger Tenor namens Shijie Xie, dessen unvergleichbar ergreifende und berührende Stimme den Charakter Nemorino zum Leben erweckte. Mit einer unnachahmlichen Authentizität und Präzision drückte er aus, welch tiefe Liebe Nemorino für Adina empfindet - und wie sehr es ihn schmerzt, dass sie als Frau für ihn unerreichbar zu sein scheint. Die Sanftheit, Romantik und Unschuld des Charakters ergriffen die Herzen der Zuhörer und lösten wahrlich Gänsehautmomente aus.
Den emotionalen Höhepunkt des Abends bildete die Sopranistin Franziska Weiß mit der Arie „Vissi d’arte“ aus Puccinis „Tosca“ und ihrer Verkörperung von Flora Tosca, welche sich an Gott wendet und ihn fragt, warum ihr so viel Leid und Ungerechtigkeit geschieht; warum sie an der Korruption des brutalen Polizeichefs Scarpia leiden und sich zwischen dem gefährdeten Leben ihres Geliebten und ihrer eigenen körperlichen und seelischen Unversehrtheit entscheiden muss. „Vissi d’ arte“ gilt als eine Prüfung für Sopranistinnen, die nur die Besten der Besten bestehen können. Mit musikalischer Ästhetik, einem zutiefst bewegenden emotionalen Ausdruck und einer sich zunehmend ausbauenden Dynamik überwand Franziska Weiß die Grenzen der schauspielerischen Leistung und ist gegen Ende ihres Auftritts, wie auch das gebannt zuhörende und zusehende Publikum, selbst den Tränen nahe. An diesem Abend konnte die Verschmelzung von Künstlerin und Kunstfigur miterlebt werden.
Zsolt Lendvai, Lilly Baumgartner, Franziska Weiß, Werner Baumgartner und Shijie Xie ermöglichten dem Publikum einen unvergesslichen Abend voller musikalischer Meisterwerke. Soli, Duette, Terzette und ein finales Quartett entführten die Zuhörer in die Welt großer Opern und Operetten. Sie durchlebten eine emotionale Reise von Fröhlichkeit und Heiterkeit über Rage, Schmerz und Sehnsucht bis hin zu purer Lebensfreude.
Lassen Sie sich das von nun an jährlich stattfindende Neujahrskonzert von Zsolt Lendvai und der Malteserstadt Heitersheim im kommenden Jahr nicht entgehen!
Ein Bericht von Evelyn Turinsky
Bilder zum Neujahrskonzert vom 06.01.2025 mit Zsolt Lendvai